Mit sei­nem Ur­teil vom 09.10.2014, Az.: IX ZR 140/11, hat der BGH zur Haf­tung der Mit­glie­der des Gläu­bi­ger­aus­schus­ses nach § 71 InsO Stel­lung ge­nom­men und zum ers­ten Mal Grund­sät­ze auf­ge­stellt, die die Pflich­ten der Aus­schuss­mit­glie­der kon­kre­ti­sie­ren.

Sach­ver­halt (ver­ein­facht)

Der In­sol­venz­ver­wal­ter ver­un­treu­te Gel­der in Mil­lio­nen­hö­he, indem er im Ver­lauf von knapp zwei Jah­ren mehr­mals er­heb­li­che Be­trä­ge von einem Hin­ter­le­gungs­kon­to auf von ihm ein­ge­rich­te­te Kon­ten bei an­de­ren Ban­ken ver­schob. Dem Mit­glied des Gläu­bi­ger­aus­schus­ses, wel­ches mit der Kas­sen­prü­fung be­traut war, fie­len die Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten nicht auf. Al­ler­dings er­folg­te eine ent­spre­chen­de Prü­fung auch nur ein­mal im Jahr.

Der un­treue Ver­wal­ter wurde spä­ter unter an­de­rem wegen Ver­un­treu­ung rechts­kräf­tig zu einer Ge­samt­frei­heits­stra­fe von acht Jah­ren ver­ur­teilt.

Der neu be­stell­te Ver­wal­ter nahm die Mit­glie­der des Gläu­bi­ger­aus­schus­ses auf Er­satz des durch die Ver­un­treu­un­gen ent­stan­de­nen Scha­dens (rund 6,7 Mil­lio­nen Euro) in An­spruch.

Das Land­ge­richt Han­no­ver (Ur­teil vom 16.08.2010, Az.: 20 O 329/08) hatte der Klage des neuen In­sol­venz­ver­wal­ters in Höhe von rund 1,2 Mil­lio­nen Euro statt­ge­ge­ben. Die Be­ru­fung des Klä­gers und der Be­klag­ten blie­ben ohne Er­folg. Der BGH ließ die Re­vi­si­on zu, hob das Be­ru­fungs­ur­teil auf, so­weit es zum Nach­teil des Klä­gers er­gan­gen war, und ver­wies die Sache zur Ent­schei­dung zu­rück an das Be­ru­fungs­ge­richt.

Ent­schei­dungs­grün­de

Der BGH be­grün­de­te seine Ent­schei­dung wie folgt:

Ver­sto­ßen die Mit­glie­der eines Gläu­bi­ger­aus­schus­ses gegen ihre aus § 69 InsO re­sul­tie­ren­den Pflich­ten, könne dies einen Scha­dens­er­satz­an­spruch aus § 71 InsO be­grün­den. Diese Pflich­ten trä­fen nicht den Gläu­bi­ger­aus­schuss als sol­chen, son­dern jedes ein­zel­ne Aus­schuss­mit­glied. Daher han­de­le es sich bei der Haf­tung aus § 71 InsO auch um eine in­di­vi­du­el­le Haf­tung, die re­gel­mä­ßig eine ei­ge­ne Pflicht­ver­let­zung des je­wei­li­gen Aus­schuss­mit­glie­des vor­aus­set­ze.

Nach An­sicht des BGH komme für die Über­wa­chung der Ge­schäfts­füh­rung des In­sol­venz­ver­wal­ters be­son­de­re Be­deu­tung der Prü­fung von Geld­ver­kehr und -be­stand (§ 69 Satz 2 InsO) zu, Al­ler­dings war bis­her eine Kon­kre­ti­sie­rung die­ser Pflicht höchst­rich­ter­lich un­ge­klärt. Mit sei­nem Ur­teil kon­kre­ti­siert der BGH nun erst­mals die nach § 69 Satz 2 InsO be­stehen­de Pflicht der Aus­schuss­mit­glie­der Geld­ver­kehr und -be­stand zu prü­fen.

Grund­sät­ze zur Prü­fungs­pflicht von Geld­ver­kehr und -be­stand

Eine ori­gi­nä­re Pflicht der Aus­schuss­mit­glie­der, die Kas­sen­prü­fung selbst vor­zu­neh­men be­stün­de nicht. Je­doch müss­ten sich die Mit­glie­der des Gläu­bi­ger­aus­schus­ses um die Durch­füh­rung der Prü­fung sowie deren Er­geb­nis küm­mern. Daher ob­lie­ge es ihnen, un­ver­züg­lich und sorg­fäl­tig die Per­son aus­zu­wäh­len, wel­che die Prü­fun­gen vor­neh­men soll und si­cher­zu­stel­len, dass die Per­son die Prü­fung in zeit­li­cher Hin­sicht ord­nungs­ge­mäß durch­führt. Über die Er­geb­nis­se der Prü­fung müss­ten sich die Aus­schuss­mit­glie­der un­ter­rich­ten las­sen und sich ver­ge­wis­sern, dass die Prü­fung den an der­ar­ti­ge Kon­trol­len zu stel­len­den An­for­de­run­gen ent­spre­chen. Wie oft eine Prü­fung zu er­fol­gen habe, sei je­doch eine Frage des Ein­zel­fal­les, deren Wür­di­gung dem Ta­trich­ter ob­lie­ge. Grund­sätz­lich müsse die Über­wa­chung des In­sol­venz­ver­wal­ters wäh­rend der ge­sam­ten Dauer des In­sol­venz­ver­fah­rens ge­währ­leis­tet sein. In jedem Ver­fah­ren müsse mit der Prü­fung un­ver­züg­lich be­gon­nen wer­den. Stets sei im Blick zu be­hal­ten, dass die Prü­fung von Geld­ver­kehr und -be­stand auch die Ver­un­treu­ung von Mas­se­gel­dern ver­hin­dern solle und eine sol­che un­ab­hän­gig von den ge­nann­ten Um­stän­den je­der­zeit ver­übt wer­den könne.

Was die Prü­fungs­in­ten­si­tät an­geht, so geht der BGH davon aus, dass stets eine zu­ver­läs­si­ge Be­ur­tei­lung des Ver­wal­ter­han­delns mög­lich sein müsse. Die Aus­schuss­mit­glie­der dürf­ten sich nicht al­lein auf die Aus­sa­gen des In­sol­venz­ver­wal­ters ver­las­sen, son­dern müss­ten ge­ge­be­nen­falls ei­ge­ne Nach­for­schun­gen an­stel­len.

Stel­len die Aus­schuss­mit­glie­der einen Ver­stoß fest, müss­ten sie un­ver­züg­lich re­agie­ren. Bei ge­ring­fü­gi­gen Ver­stö­ßen sein eine Rüge aus­rei­chend. Nicht mehr ge­ring­fü­gi­ge Ver­stö­ße müss­ten je­doch re­gel­mä­ßig dem In­sol­venz­ge­richt ge­mel­det wer­den.

An­mer­kung

Der BGH stärkt mit sei­nem Ur­teil die Po­si­ti­on des Gläu­bi­ger­aus­schus­ses ge­gen­über dem In­sol­venz­ver­wal­ter, indem er die Prü­fungs­pflich­ten des Gläu­bi­ger­aus­schus­ses kon­kre­ti­siert und dabei jedes Aus­schuss­mit­glied in die Pflicht nimmt, sich ein ei­ge­nes, kri­ti­sches Bild von der Ge­schäfts­füh­rungs­tä­tig­keit des In­sol­venz­ver­wal­ters zu ma­chen.

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