Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit – BGH: Einbeziehung Passiva II

Mit der sog. Bugwellentheorie wurde der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und damit die tatbestandlichen Voraussetzungen der Geschäftsführerhaftung nach § 64 S. 1 GmbHG verneint, wenn ein Schuldner zwar ständig erhebliche Verbindlichkeiten vor sich herschob, diese aber ausnahmslos innerhalb von drei Wochen erfüllen konnte. Nach BGH, Urt. v. 19.12.2017 (AZ II ZR 88/16) sind bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit anhand einer Liquiditätsbilanz nun jedoch auch die innerhalb von drei Wochen nach dem Stichtag fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten (sog. Passiva II) einzubeziehen. Die Entscheidung verschärft damit die Haftungsgefahr für Geschäftsführer in Krisensituationen. Unternehmen müssen nun in der Lage sein, Verbindlichkeiten, die möglicherweise erst wenige Tage vor Ablauf der Dreiwochenfrist fällig werden, in der verbleibenden kurzen Zeit auszugleichen. Die ständige Refinanzierung aus eingehenden Zahlungen ohne Berücksichtigung auch der demnächst fällig werdenden Verbindlichkeiten widerspricht nach dem BGH dem Willen des Gesetzgebers. Ziel der Insolvenzordnung sei ein möglichst früh zu stellender Insolvenzantrag verbunden mit einer zeitnahen Eröffnung des Insolvenzverfahrens, um Sanierungschancen ebenso wie die Insolvenzmasse weitgehend zu erhalten. Kann das schuldnerische Unternehmen mit neu hinzukommenden Mitteln lediglich seine Altverbindlichkeiten decken und schiebt es trotzdem ständig eine erhebliche Unterdeckung vor sich her, ist nun eine dauerhafte Zahlungsunfähigkeit zu bejahen. Nach dem BGH zeigt sich in dieser Situation eindeutig, dass das Unternehmen unterkapitalisiert und mangels ausreichenden Eigenkapitals insolvenzreif ist.

 Zurechnung eigener Buchhaltung

Bemerkenswert ist für Geschäftsführer/-innen abschließend, dass sie sich nach der Entscheidung gegenüber dem klagenden Insolvenzverwalter nicht mehr mit der pauschalen Behauptung verteidigen können, die Buchhaltung sei in der Krisenzeit nicht mehr ordnungsgemäß geführt worden. Da die Geschäftsführung die Buchführung selbst zu verantworten hat (§§ 238, 239 HGB, § 41 GmbHG), hat sie ggf. detailliert zu beweisen, welche Buchungen in welcher Hinsicht unrichtig sein sollen. Dies soll der Geschäftsführung auch dann nicht unmöglich sein, wenn sich die gesamte Buchhaltung beim klagenden Insolvenzverwalter befindet. Zum Zwecke der Beweisführung ist sie zur Einsicht in die Buchhaltung berechtigt (BGH, Urt. v. 19.01.2016, AZ II ZR 61/15).

20.01.2018 Rechtsanwalt Maximilian Hallberg

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